Amanita muscaria

Fliegenpilz

(L.) Lam. 1783
Familie: Amanitaceae
© Dieter Gewalt
muscaria = Fliegen betreffend (Musca domestica = Stubenfliege)

Zwei der bei pilzkundlichen Führungen am häufigsten gestellten Fragen bekommt man bei diesem Pilz praktisch nie gestellt, nämlich: „Kann man den essen?“ und „Kann man den verwechseln?“ Kein Wunder. Jeder kennt ihn. Jeder weiß, dass er giftig ist. Er gilt als Inbegriff eines Giftpilzes, obwohl er noch niemanden umgebracht hat. Die üblichen Witze, dass alle Pilze essbar seien, einige jedoch nur einmal, oder dass man im Restaurant ein Fliegenpilzgericht vor dem Verzehr bezahlen muss, sind also beim Fliegenpilz völlig unangebracht. Und mit der vermeintlichen psychedelischen Wirkung ist es (zumindest in Mitteleuropa) meist auch nicht weit her. Andreas Gminder schreibt dazu (Handbuch für Pilzsammler, 2008):

Die im Pilz enthaltene Ibotensäure ist der Hauptwirkstoff der Art und nicht etwa das Muskarin, das nach ihm benannt wurde. Die berauschende Wirkung, die der Fliegenpilz haben kann (nicht unbedingt haben muss!), wurde schon von früheren Völkern genutzt, z. B. in Sibirien, aber auch in Südamerika. Auch hierzulande wird von Rauschsuchenden mit diesem Pilz experimentiert. Oft stellt sich statt eines Rausches allerdings Erbrechen und Durchfall ein, sodass man diese Versuche tunlichst unterlassen sollte.“

Foto oben: An den am Boden liegenden Blättern erkennt man den Begleitbaum: die Birke. Ein anderer Baumpartner ist die Fichte. Die Nadeln auf dem Foto stammen allerdings von einer Kiefer. Die alte Pilzsammlerregel „Wo Fliegenpilze wachsen, findet man auch Steinpilze“ gilt also nur in Fichtenwäldern. Als typischer Herbstpilz erscheint er meist erst ab September/Oktober.

In einem meiner ersten Pilzbücher (Haas/Gossner: Pilze Mitteleuropas, 1964) wird berichtet, in Deutschland seien während der Notzeiten der Nachkriegsjahre viele Tausende von Fliegenpilzen abgekocht in die Kochtöpfe gewandert, denn „nach dem Weggießen des Kochwassers kann ein Fliegenpilzgericht ohne Schaden verzehrt werden. Wir möchten trotzdem vom Genuss dringend abraten.“ Ich habe es damals in der Küche ausprobiert und kann nur sagen, dass ich den Geschmack „zum Kotzen“ fand.

Wie der Fliegenpilz zu seinem Namen gekommen ist, soll nicht unerwähnt bleiben. Versetzen wir uns ein paar Jahrhunderte in die Vergangenheit und auf einen Bauernhof zurück. Um die lästigen Fliegen loszuwerden, hat die Bäuerin Fliegenpilze mit Milch und Honig vermischt, die Mixtur in Schälchen gefüllt und auf dem Hof verteilt. Die vom verführerischen Duft angelockten Insekten naschten davon und lagen bald wie tot auf dem Boden. Darauf hatte die Bäuerin gewartet. Sie schlug alle, die sie finden konnte, mit der Fliegenklatsche tot. Die sie übersehen hatte, wachten später wieder auf und flogen davon als sei nichts geschehen. Sie hatten nur ihren Rausch ausgeschlafen. Die Pilze hatten eine Wirkung verursacht, die wir heute gewissen Drogen zuschreiben, die als “Magic Mushrooms” bekannt sind.

Dieses Foto zeigt Fliegenpilze in allen Entwicklungsstadien von ganz jung bis voll entwickelt. Bei einem wurden Teile der Huthaut abgezogen, wobei Überraschendes zum Vorschein kommt: das Fleisch darunter ist quittengelb!

Mit dem „Männlein, das im Walde steht“, ist im Gegensatz zur weit verbreiteten Auffassung nicht der Fliegenpilz gemeint. Der meist nur gesprochene Schlussvers des volkstümlichen Kinderliedes von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben gibt Auskunft:

„Das Männlein dort auf einem Bein
Mit seinem roten Mäntelein
Und seinem schwarzen Käppelein
Kann nur die Hagebutte sein“

Ältere Pilzbücher verwenden für die Darstellung von Pilzen Aquarelle, die im Vergleich mit Fotografien oft eine bessere Aussagekraft haben. Hier eine Illustration von Gabriele Gossner (in: Hans Haas - Pilze Mitteleuropas, 1964)

Weiterführende Literatur:

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Dieter Gewalt.
Zuletzt aktualisiert am 17. November 2022