Melanoleuca verrucipes

Dunkelflockiger Weichritterling

(Fr.) Singer 1939
Familie: Tricholomataceae
© Dieter Gewalt
verrucipes = warzenstielig
22.10.1986 (Erstfund für Hessen), Mai – Dez. 1987 TK 6018.1.2 Großer Komposthaufen („Kompi“) gegenüber Hofgut Philippseich (Dreieich-Götzenhain) Foto: Jochen Hausburg

Dieser Weichritterling, den man (noch) als selten bezeichnen kann, gehört zu den wenigen leicht kenntlichen Arten in der schwierigen und nicht sehr populären Pilzgattung Melanoleuca. Der mattweiße bis hell cremefarbene, in der Mitte niedergedrückte und meist mit einem Buckel versehene Hut in Verbindung mit dem ebenfalls weißen, auf ganzer Länge dunkel beschuppten Stiel lassen ihn schon makroskopisch sicher erkennen. Das Problem besteht darin, einen Fund dieses Pilzes der richtigen Gattung zuzuordnen.

Fundort war der voluminöse Komposthausen im Wald, den die Gärtner von Gut Philippseich zur Ablagerung ihrer Gartenabfälle angelegt hatten. Aufgrund seines Verwendungszwecks stellte er natürlich kein dauerhaftes Biotop dar, denn nach erfolgter Kompostierung wurde der entstandene wertvolle Naturdünger ins Hofgut zurück transportiert. Den Kompostierungsprozess selbst kann man ähnlich wie bei der Holzzersetzung zeitlich in eine Initial-, Optimal- und Finalphase unterteilen, die jeweils ein unterschiedliches Pilzartenvorkommen begünstigen. Der Flockenstielige Weichritterling war eindeutig der Initialphase zuzuordnen. Vor allem im Jahr 1987, in dem er von Mai bis Dezember (mit Ausnahme des extrem trockenen August) eine erstaunlich lange Fruktifikationsperiode aufzuweisen hatte, wuchs er oft massenhaft über den gesamten, relativ neu angelegten Komposthaufen und das nahe angrenzende Umland verteilt.

Interessant und noch weitgehend ungeklärt ist, wie sich der Pilz dieses Areal auf 176 m Meereshöhe erschließen konnte, galt er doch bis Ende der 1970er Jahre als sehr selten und montan verbreitet. Dann aber begann sein vermeintlicher Abstieg aus dem Gebirge ins Flachland, wo er statt Almwiesen nun anthropogene Wuchsorte bevorzugt und, wie German J. Krieglsteiner es formuliert hat, ganz entschieden vom plötzlichen Angebot geeigneten Substrates wie Schreddermaterial, Rindenmulch, Komposthaufen etc. profitiert:

„Da die anstehenden Mengen an verwertbarer Nahrung von den Konkurrenzorganismen wohl nicht rasch genug besetzt werden können, mag die Chance für bisher weniger vitale Arten gekommen sein, sich rasch einzunisten, auch für Melanoleuca verrucipes“.

Krieglsteiner weist auch darauf hin, dass die aufgrund weniger früherer Funde vorgenommene Einstufung als primär montanes Florenelement nun korrigiert und aufgegeben werden muss.

Diese Einschätzung wird auch von mehreren nachfolgenden Funden in der Rhein-Main-Ebene bestätigt:

9. September 1998, TK 6019.1.1 bei Rollwald, auf Holz- und Rindenabfällen an einem Wegrand
20. Juni 2001, TK 5918.4.3 Löcherwiese bei Dietzenbach nahe Wasserrückhaltebecken, auf Kompost
14. September 2003, TK 5816.2.3 Rettershof bei Kelkheim, Waldwegrand
13. August 2009, TK 5918.4.1 „Gebranntes Loch“ zw. Dietzenbach und Gravenbruch, auf Fichtenrinde
6. September 2009, TK 5919.3.4 „Gänsbrüh“ bei Dudenhofen, auf verrottender Fichtenrinde
9. Juni 2012, TK 5919.3.3 Schlosskaute zw. Dietzenbach und Rodgau, Grasfläche vor Kiefernwald
15. Oktober 2016, TK 5918.4.4 auf abgelagerten Gartenabfällen, Kiefernwald bei Waldacker

Weiterführende Literatur:

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Dieter Gewalt.
Zuletzt aktualisiert am 9. August 2020