Polyporus tuberaster

Sklerotienporling, Kleiner Schuppenporling

(Jacq. ex Pers.) Fr. 1821
Familie: Polyporaceae
© Dieter Gewalt
tuberaster = knollenförmig
Sklerotienporlinge im Steinberger Wald bei Dietzenbach, wo sie zu den häufigsten Stielporlingen gehören (25. Mai 2016)
So sehen ganz junge Sklerotienporlinge aus, wie sie für die Küche bestens geeignet sind

Dieser Stielporling trägt einen Namen, mit dem Pilznovizen kaum etwas anfangen können. Daher soll zunächst einmal aufgeklärt werden, was Sklerotien sind. Es handelt sich um Überdauerungsorgane des Pilzmyzels von meist kugeliger oder linsenförmiger Gestalt und harter Konsistenz, die im Substrat verborgen sind und es dem Pilz ermöglichen, in Dürreperioden oder bei ungünstigen Fruktifikationsbedingungen viele Jahre zu überleben. Bei ausreichender Feuchtigkeit wachsen aus ihnen dann wieder Pilzfruchtkörper. Die Sklerotien, auch Dauermyzel genannt, sind meist winzig klein und es ist daher nur durch sorgfältiges Bergen möglich, sie an der Stielbasis zu entdecken. In unseren Breiten ist diese Überlebensstrategie nicht unbedingt von Bedeutung und daher nur bei wenigen Arten anzutreffen. Die allermeisten einheimischen Pilze kommen gut ohne sie aus. In einigen Fällen ist das Fehlen oder Vorhandensein ein wichtiges Bestimmungskriterium.

Bei unserem hübschen Stielporling, der auch „Kleiner Schuppenporling“ genannt wird, weist auch der wissenschaftliche Artname auf diese Besonderheit hin: tuberaster heißt „Abbild der Trüffel“, womit auf die knollige Form seines Sklerotiums hingewiesen wird. Das Erstaunliche an seinem Dauermyzel sind aber seine Ausmaße. Es kann die Größe eines Menschenkopfes erreichen! Im Normalfall ist es etwa faustgroß. Doch wo soll man nach ihm suchen? Offensichtlich ist unser Sklerotienporling eine holzbewohnende Art und selbst bei intensivsten Nachforschungen im Untergrund wird man in Mitteleuropa kaum fündig werden. Tatsache ist: unser Pilz kann ein Sklerotium haben, muss aber nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dieses erstaunliche Gebilde zu finden, ist dagegen im Mittelmeerraum wesentlich größer. Verständlich beim dort vorherrschenden eher trockenen Klima. Pietra fungaja werden sie in Italien genannt und schon Goethe hat sich sehr für sie interessiert und kluge Vermutungen über das Wesen dieser „Pilzsteine“ angestellt:

Jenes Naturprodukt scheint nicht dem Mineral- sondern dem Pflanzenreiche anzugehören.“

Unser Sklerotienporling wartet noch mit einer weiteren Überraschung auf. Er ist essbar, galt schon in den alten Fürstenhäusern Italiens als Delikatesse. Eigene Küchenerfahrungen mit jungen Hüten bestätigen dieses Werturteil. Ich schätze ihn weit mehr als Steinpilz oder Pfifferling und kann eine Kostprobe nur empfehlen, zumal er im Rhein-Main-Gebiet keine Rarität ist. In Bayern und Norddeutschland scheint er dagegen selten zu sein oder zu fehlen.

Leider muss die Küchenempfehlung mit einer Einschränkung gegeben werden. Nur junge, zarte Fruchtkörper sind zum Verzehr geeignet und das Zeitfenster, in dem sie in diesem optimalen Zustand gefunden werden können, ist oft auf nur wenige Tage begrenzt. Sie sind geeignet, wenn man ohne nennenswerten Widerstand mit dem Messer in das Pilzfleisch schneiden kann, und zwar gegen die Faserrichtung. Zähe, ältere Pilze haben die Konsistenz von Schuhsohlen und sind nicht mehr für die Küche geeignet.

Der Pilz ist recht farbvariabel. Die geschuppte Hutoberseite kann grau oder graubraun, aber auch ocker, strohfarben, gelbbräunlich bis rotbraun gefärbt sein.

Und so haben Teilnehmer an unseren Pilzwanderungen über den Speisewert des Sklerotienporlings geurteilt:
Susann Fröhlich: „Der Kleine Schuppenporling ist der Geschmackshammer! Sehr aromatisch nussig.“
Bärbel und Kathrin Kemmerer: „… im Geschmack wunderbar, würzig nussig. Einfach ein Leckerbissen.“
Angelika Borchert: „Er war köstlich und wir haben ihn direkt aus der Pfanne genascht.“
Abir Gasmi Seifried: „Am besten hat der Kleine Schuppenporling geschmeckt. Der absolute Sieger!“

Es ist nicht übetrieben: ich habe Jahrzehnte lang nach dem gesucht, was dem Sklerotienporling seinen Namen gegeben hat, habe mehr als hundertmal nach diesen geheimnisvollen „Pilzsteinen“ gegraben. Untersucht man den Untergrund unter Sklerotienporlingen, die an Holz wachsen, wird man kaum einmal fündig werden. Gräbt man unter auf dem Waldboden wachsenden Fruchtkörpern, stehen die Chancen auf Erfolg entschieden besser. So gelang es innerhalb kurzer Zeit gleich mehrfach, die steinharten Überdauerungsorgane auszugraben, erstmals am 23. Juli 2016 im Steinberger Wald. Leider war es nicht möglich, den „Pilzstein“ mit aufsitzendem Pilz und in einem Stück zu bergen. Er war zwischen hartnäckigem Wurzelwerk eingezwängt.

Das obige Foto zeigt den Pilz und die geborgenen Teilstücke, das nachfolgende das aus Teilstücken zusammengesetzte Skelrotium, das 21 cm in seiner Längsachse maß und gut ein Kilogramm wog.

03.10.2016: ein weiteres Sklerotium, nahe Dornsee zwischen Dietzenbach und Heusenstamm und 29.05.2017 das insgesamt fünfte Sklerotium, das Tui Gewalt ausgegraben hat (Alte Babenhäuser Straße, Dietzenbach-Steinberg, gut zwei Kilo schwer). Ein anderes ist im Fundus der Uni Frankfurt gelandet. Auf weitere „Ausgrabungen“ werden wir verzichten.

Der Sklerotienporling wächst fast ausschließlich an totem Laubholz, selten auch mal direkt auf dem Waldboden. Als Substrat werden in der Literatur zahlreiche Baumarten genannt. Ich habe ihn im Rhein-Main-Gebiet durchgängig nur an Buche gefunden, ein einziges Mal an Birke.

Die Gattung Polyporus ist in Auflösung begriffen, die meisten Arten wie Winter- oder Maiporling sind in die Gattung Lentinus transferiert, für andere sind neue, zum Teil monotypische Gattungen aufgestellt worden. Der Schwarzrote Porling z. B. heißt jetzt Picipes badius, der Schuppige Porling Cerioporus squamosus. Laut Index fungorum scheint lediglich der Sklerotienporling bei Polyporus verblieben zu sein. Er war die Typusart der Gattung und durfte deshalb seinen angestammten Namen behalten.

Weiterführende Literatur:

  • http://tintling.com/pilzbuch/arten/p/Polyporus_tuberaster.html
  • H. Schmid & W. Helfert: Pilze – Wissenswertes aus Ökologie, Geschichte und Mythos , S. 65 (IHW-Verlag 1995)
  • Michael / Hennig / Kreisel: Handbuch für Pilzsammler, S. 222 (Gustav Fisher Verlag Stuttgart 1986)
  • Dieter Gewalt: Der Besten einer (Der Tintling – Die Pilzzeitung, Hrsg. Karin Montag, Heft 78 Seite 15
Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, von Dieter Gewalt.
Zuletzt aktualisiert am 20. Mai 2022